Das Rietberg-Bild ist Teil einer faszinierenden Präsentation zahlreicher Bilder der drei münsterschen Renaissancemaler tom Ring – Ludger tom Ring d. Ä., Hermann tom Ring und Ludger tom Ring d. J. – im LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster. Die Deutung des Familienbildes des Grafen Johann II. von Rietberg ist bis heute umstritten.

   
Das Rietberg-Bild  

Das "Gründungsbild" der GWK hat der damals "bedeutendste Hofmaler des westfälischen Adels" (Géza Jászai), Hermann tom Ring, 1564 im Auftrag der Gräfin Agnes von Rietberg gemalt. Es trägt, seit der von Angelika Lorenz 1996 in Münster kuratierten Retrospektive "Die Maler tom Ring", den Titel "Familienbild des Grafen Johann II. von Rietberg". Im 19. Jahrhundert war es in England in vier Teile zerschnitten worden, "wahrscheinlich, um es besser verkaufen zu können", wie Paul Pieper, der Direktor des Westfälischen Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte, Münster, meinte. 1953 hatte Paul Pieper – als er eine erste Monografie der drei münsteraner Maler tom Ring vorbereitete – in der Fotosammlung von Sir Robert Witt in London eine Fotografie des Doppelbildnisses der Rietberg-Mädchen entdeckt. Im Rijksbureau voor kunsthistorische Dokumentatie in Den Haag kam ihm wenig später das Bildnis einer Dame unter, in der er Gräfin Agnes erkannte. Er vermutete den Zusammenhang der Fragmente – und wusste, dass noch etwas fehlte. 1956 tauchte das Doppelbildnis von Ermengaard und Walburg dann tatsächlich auf dem Kunstmarkt auf, und Paul Pieper konnte es bei einer Sotheby's-Auktion in London ersteigern Ein "Risikokauf", wie er selber meinte. Im eskalierenden Bieterwettstreit hatte er nämlich sein Ankaufsbudget ohne Genehmigung um 30% überschritten. 

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Man könne jedoch, schrieb Robert Paasch nach seinem Ausscheiden als Kulturdezernent des Landschaftsverbandes in seiner GWK-Chronik, Pieper "im Nachhinein nur dankbar sein, dass er seinerzeit bei Sotheby's die 'Contenance' nicht verloren" und dieses für Westfalen-Lippe so bedeutsame und kunsthistorisch wertvolle Bild der "Rietberg-Girls", wie die Mädchen später im LWL-Jargon liebevoll hießen, erworben habe. 

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Hermann tom Ring: Familienbild des Grafen Johann II. von Rietberg (1564)
© LWL-Museum für Kunst und Kultur, Münster

 

1958 entdeckte ein junger Kunstexperte in einer entlegenen Sammlung im englischen Norfolk das Bildnis des Grafen Johann II., das daraufhin vom Westfälischen Landesmuseum erworben wurde. Und nachdem über 30 Jahre lang im Landesmuseum in Münster nur die beiden Bilder der sogannten "Gräfinnen von Rietberg" und ihres Vaters zu sehen waren und man vergeblich nach dem Bild der fehlenden Gräfin gesucht hatte, fand man dieses schließlich 1989 im Katalog einer Sotheby’s-Auktion in Monte Carlo. Das Bildnis wurde gekauft und das Gesamtbild zur großen Retrospektive „Die Maler tom Ring“ 1996 im Westfälischen Landesmuseum restauriert. Doch bis heute ist das Familienbild noch immer nicht vollständig: Die Hände der Gräfin fehlen. Dieser Bildteil ist mit einer Neutralretusche überbrückt, die die Frage „wohl für alle Zeiten offen [hält]: was hat die Gräfin in ihren Händen gehalten, auf die Graf Johann in so betonter Weise mit seiner behandschuhten Hand zeigt" (Pieper).

 

Kontroversen – Deutungen des Rietberg-Bildes

 

Das Rietberg-Bild Hermann tom Rings bleibt bis heute geheimnisvoll. Seine ästhetische Qualität ist überragend, seine Deutung umstritten. Anders allerdings als seine Vorgeschichte: "Johann der Tolle", wie der Graf von Rietberg im Volksmund hieß, erschlug seinen Rentmeister, als er ihn bei Unregelmäßigkeiten erwischte. Nach diesem Mord entbrannte ein ostwestfälischer Kleinkrieg, der mit der Inhaftierung des Grafen in Köln endete. 1562 starb er im Kerker. Die Gräfin und ihre Töchter verloren daraufhin das Lehen in Rietberg und mussten nach Aurich ziehen. Im Auftrag von Gräfin Agnes malte Hermann tom Ring 1564 zwei Jahre nach dem Tod ihres Mannes das Rietberg-Bild.

 

Zwei kontroverse Deutungen des Bildes stehen sich heute gegenüber: Für Angelika Lorenz sollte dieses Bild, "eines der ungewöhnlichsten und glanzvollsten Familienbilder des 16. Jahrhunderts", PR-Zwecken der Gräfin Agnes dienen. Denn nach dem schändlichen Kerkertod des Grafen war sie und mit ihren beiden jungen Töchter ökonomisch nahezu ruiniert und ins gesellschaftliche Abseits geraten. Dieser Deutung widerspricht Géza Jászai. Er interpretiert das Rietberg-Bild als "exemplarisches Memorialbild" für den Grafen.

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Susanne Schulte schließt sich 2007 im Literatur-Bild-Band "BildGeheimnis tom Ring. Neue literarische Zündungen", der zum 50. Jubiläum der GWK mit literarischen Orignalbeiträgen von Stefan Beuse, Sylvia Geist, Katharina Hacker und Sabine Sho sowie einem Gedichtzyklus von Thomas Kling entstand, der Deutung von Paul Pieper und Angelika Lorenz an.

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