Thorsten
Palzhoff | GWK-Förderpreis 2006
*1974 in Wickede, lebt in Berlin
Studium der Neueren Deutsche Philologie, Musikwissenschaft und
Vergleichenden Literaturwissenschaft in Berlin | 2004 –
2007 Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsstelle Nachlass
Jakob Taubes im Zentrum für Literaturforschung Berlin
www.literaturport.de
Im Zentrum der Erzählungen Thorsten Palzhoffs stehen Sehnsüchtige,
die "der Welt abhanden gekommen" sind. Stellt dieses,
von Palzhoff mehrfach zitierte, Gedicht Rückerts die Wirklichkeit
der Transgression in eine ästhetisch bestimmte, heile Innerlichkeit
dar, so ist der Wunsch nach Überschreitung der Alltagswelt
bei Palzhoff Voraussetzung des realen Verschwindens seiner Protagonisten,
das Totschlag, Mord, Suizid bedeuten kann. Als Abwesende beherrschen
seine Hauptfiguren die Szene. Diese aber bestim-men die großen
historischen Themen des 20. Jahrhunderts, Krieg etwa und Flucht.
Die Erzählungen sind die Versuche von Freunden oder Verwandten,
die Leerstellen zu schließen, die die Verschwundenen hinterlassen
haben: aus ihren Spuren ihre Geschichte zu rekonstruieren. In
Palzhoffs Erzählungen durchdringen sich in idealtypischer
Weise Inhalt und Form, die Darstellung und ihre Reflexion. Um
die leeren Zentren entsteht in kunstvoll wechselnden Perspektiven,
Stimmen und Tönen die Geschichte der abwesenden Person
– als eine Geschichte, deren Wahrheit kein Erzähler
oder objektives Faktum verbürgt. Wirklichkeit und Fiktion,
Erinnerung und Konstruktion bleiben ununterscheidbar. Real ist
jedoch die Erfahrung der Magie der Erzählung selbst; für
die Dauer der Lektüre lässt "Tasmon" die
Lesenden der Welt abhanden kommen.
Susanne Schulte
Laudatio zum GWK-Förderpreis 2006