Que
Du Luu | GWK-Förderpreis 2010
*1973 in Vietnam, chinesischer Abstammung, aufgewachsen in Herford,
lebt in Bielefeld
Studium der Germanistik und Philosophie
www.queduluu.de
Anerkennung und Annäherung haben die Erzählungen Que
Du Luus zum Thema. Die Erzählerin greift es von den sozialen
und psychischen Rändern her auf. Hier konstituieren weder
Etikette, noch Ritual oder Status, weder Beruf, Familie noch
geistig-seelische Gesundheit eine stabile personale und bürgerliche
Identität. Der Toilettenmann und die Putzfrau im Großraumklo
für Männer, der "selbstständige Tasseneinsammler"
in der Cafeteria der Universität, die Obdachlose, die sich
als "Madame" versteht, und der Nachtwachmann in der
Tiefgarage: Que Du Luus Figuren leben "unten", im
"Dunkel", wo die Beziehungen in ihrem Wesen offenliegen,
das Ich fast nackt ist und seine Selbstachtung fragil. In "Rand-Geschichten"
macht die Autorin das sichtbar, was wesentlich ist und im Zentrum
einer jeden Existenz steht, das Ringen um Würde und Respekt,
Nähe und Liebe. Que Du Luu erzählt aus der Perspektive
der Randständigen, die keine eigene Stimme haben, doch
nicht von oben herab, sondern gleichsam aus ihren Köpfen
heraus. In dieser Fremdheit wird, was außerhalb bürgerlicher
Normalität ist, normal für die Dauer der Lektüre
– und gesellschaftliche Normalität in ihrer Gefährdung
spür- und erkennbar. Der Erzählstil ist lakonisch,
trocken-sachlich benennend, alles ist bis auf das Nötigste
verknappt. Gefühle und Verletzungen werden kaum je benannt,
sondern in Gedanken, wörtlicher Rede und Handlungen indirekt
vermittelt. Alles ist Oberfläche, das "Untere",
das Innere, das Warum bleiben dunkel, verkapselt und verpflastert.
Es ist, als wäre die Befürchtung des Tasseneinsammlers
(aus: "Madame, der Wachmann und die Blume"), dass
die fremde Studentin, sobald er sie kennenlernte, bei ihm als
erstes "alle Pflaster abreißen [werde], um nach der
Wunde zu suchen", Stil geworden. Que Du Luu erzählt,
ohne ihre Figuren bloßzustellen, zu erklären, ohne
etwas preiszugeben oder besser zu wissen. Ihr Blick auf die
und aus den Randfiguren der Gesellschaft, d.h. aber ihr Blick
ins Innerste, das uns bewegt, ist liebevoll, geprägt von
Respekt und Mitgefühl, von Humor und vor allem: von Takt.
Was die Figuren in ihrer Einsamkeit, Verletzbarkeit und Versehrtheit
suchen, hat die Autorin in ihrem Erzählstil schon eingeholt
und praktiziert: jene kostbare, schwer nur lebbare Schwebe aus
Nähe und Distanz, in der sich Selbstrespekt und die Anerkennung
des Anderen finden und treffen.
Susanne Schulte
Laudatio zum GWK-Förderpreis 2010