Georg
Leß
*1981 in Arnsberg (Neheim-Hüsten), lebt in Berlin
Studium in Münster
Georg Leß wird für noch unveröffentlichte Gedichte
ausgezeichnet, u.a. den Zyklus "Wirbel", eine Serie
von Texten die Wirbelsäule, die Konstruktionsachse des
menschlichen Körpers, entlang. Der Lyriker schreibt 'schwierige'
Gedichte: Sie widersetzen sich dem schnellen, dem vollkommenen
Verstehen wohl überhaupt. Manches versteht sich zunächst
wie von selbst, anderes aber versteht man gar nicht; dann affiziert
letzteres das Verstandene und zieht es in Vagheit, in Mehrdeutigkeit
und ins Nichtverstehen hinein. Gegenläufig zugleich dies:
Liest man die Gedichte wiederholt, leise und laut, erschließen
sie sich – emotional, und ein Nachhall breitet in den
Lesenden sich aus. Innere Bilder steigen auf, die Phantasie
ist stimuliert. Die Gedichte haben eine Aura; die provoziert.
Sie gehen den Lesenden nach und uns an im Doppelsinn des existenziellen
Betreffens und des Angriffs auf unsere Existenz. Denn es ist
ein leises und subtiles Grauen, das in denen aufsteigt, die
sich bei der Lektüre öffnen. Nichts ist hier sicher,
nichts stabil, nichts mehr gewohnt und vertraut: weder das Ich,
noch die Konventionen oder ein Du, weder die Dinge noch die
Sprache. Im Alltag, in der sogenannten Normalität, durch
die einfachen Wörter tut Bedrohung sich auf, wenn Georg
Leß sie "falsch benutzt", in einer originellen,
einmaligen Wendung gegen die Wörterbuchdefinition, gegen
die Normalkontexte, was manchmal überraschend witzig, immer
aber abgründig ist und suggeriert, alles könnte vieles
bedeuten, Bedeutungen gleiten, entgleiten. Auf ein Es, das unbenannt
bleibt, ungreifbar und unbegriffen, ein Etwas, das wohl überhaupt
nicht zu fassen ist, weisen eigentlich all diese Gedichte, in
ihren Bildern, Statements, Szenen und Aktionen, durch ihre Musik:
das suggestive Spiel der Assonanzen und Rhythmen, durch das
die freien Verse sich bei den Lesenden einschleichen und wirken,
irgendwie. Obwohl sie selbst kalt sind, melancholisch kalt,
kalkuliert, lassen sie nicht kalt. Georg Leß spricht ohne
"Sicherheitsgurt über Augen und Mund", seine
Gedichte sind radikal subjektiv. Ihr gewisses Etwas, ihr düstres
Je ne sais quoi, ist das ästhetische Korrelat der Unheimlichkeit
des Daseins. Es kann die Achse erschüttern und aus der
Mitte werfen.
Laudatio von Dr. Susanne Schulte zum GWK-Förderpreis
Literatur 2014, der Georg Leß am 30.11.2014 in Bielefeld
überreicht wurde. Über die Preisvergabe entschied
eine Fachjury, der Dr. Pia-Elisabeth Leuschner vom Lyrikkabinett
in München, die Luxbooks-Verlegerin Annette Kühn aus
Wiesbaden und der Hochschullehrer Dr. Jürgen Gunia von
der Universität Münster, Fachbereich Germanistik,
angehörten.