Benjamin
Greber | GWK-Förderpreis 2011
*1979 Halle/Westfalen, lebt in Berlin
2001 – 2010 Studium an der Kunstakademie Münster
bei Katharina Fritsch, Meisterschüler bei Katharina Fritsch
und Ayse Erkmen
www.benjamingreber.com
"Fiktive Ready-mades" nennt der Bildhauer seine Skulpturen,
die vornehmlich aus kolorierter Pappe gemacht sind, bisweilen
aus Holz oder Stahl. "Ready-mades" heißen sie,
weil sie zuerst wie industriell produzierte Fertigteile erscheinen,
wie echte Maschinen- und Verpackungselemente oder wie ganze
Geräte, mit Konstruktionsplänen, Produktkennzeichnungen,
der Firmenaufschrift "ALMAGIA", die neu oder aber,
gezeichnet von Gebrauchs- und Entsorgungsspuren, ausrangiert
worden sind. Als Name eines internationalen Maschinen- und Gerätekonzerns
ist "ALMAGIA" zu lesen. "Fiktiv" heißen
diese "Ready-mades", weil es tatsächlich keine
Ready-mades, keine realen und deplazierten Industriegegenstände
sind, sondern Objekte aus der Werkstatt des Künstlers.
Er hat sie selbst aus ‚schnellen’ Materialien (Pappe,
Klebstoff, Farbe etc.) mit einfachen Werkzeugen (etwa Messer,
Schere, Säge, Lineal und Pinsel) händisch hergestellt:
Jedes Teil ist Original und Unikat aus der Greber-Manufaktur.
Es ist eine Art Attrappe, eine statische, aus diversen realen
Vorbildern abstrahierte Form, keine Kopie. Und sie kann nicht
wie eine Maschine funktionieren, ökonomisch, effizient,
fehlerfrei die immer gleiche Arbeit verrichten. Doch holt sie
gerade dadurch die industrielle Welt in den Kunstraum hinein,
öffnet diesen für die Imagination der Betrachter.
Greber baut Skulpturen auf der Grenze von Mimesis und Poiesis,
Nachahmung und freier Kreation, von Abstraktion und Erzählung,
Konstruktion und Phantasie. Er arrangiert sie zu raumgreifenden
Installationen, die den Ausstellungsort zu einer Bühne
machen, den der Betrachter betritt – als Autor und zugleich
Akteur seines eigenen Stücks. ALMAGIA ist Konzeptkunst
als sinnliches Skulpturen-Theatrum, dessen Statik die Betrachter
bewegt: physisch, emotional, intellektuell. Wohl deshalb lässt
der Name der Künstlermanufaktur "Imagination",
"Magie", "All" assoziieren. ALMAGIA, die
handgemachten Ready-made-Fakes und die fiktiven Konzerne, die
in unsern Köpfen entstehen, bringen im ästhetischen
Spiel unsere Zweckwelt ins Spiel, in die Bewegung der Frage:
Wozu gibt es diese Dinge, die Greberschen Skulpturen, die realen
Maschinen? Was machen sie mit den Menschen, was ist Arbeit,
wer verdient daran? Das Spiel ist kritisch, es setzt die Markt-Maschinerie
punktuell außer kraft und fragt in den ökonomischen
Zwecken nach Sinn. Benjamin Greber gibt keine Antwort, doch
ALMAGIA ist potentiell subversiv: Die Lust an den Manufakten
des Künstlers, an ihrer Schönheit, die Lust am Entdeckungsspiel
ohne Zweck und am Spiel der mannigfaltigen Interpretationen
ist – die Lust an der eigenen Freiheit.
Susanne Schulte
Laudatio zum GWK-Förderpreis 2011
Die Jury zum GWK-Förderpreis Kunst 2011 bestand aus der
Leiterin des Hartware MedienKunstVereins in Dortmund, Dr. Inke
Arns, dem Kurator und Kunstwissenschaftler Dr. Jacek Barski
aus Berlin, dem Kurator Adam Budak vom Universalmuseum Joanneum
Graz, dem Leiter des Kunstraums Fuhrwerkswaage Köln, Jochen
Heufelder sowie dem Künstler und GWK-Preisträger Klaus
Kleine aus Köln und Roland Nachtigäller, dem Direktor
des Museums Marta Herford.