Clemens
Botho Goldbach | GWK-Förderpreis 2013
*1979 in Köln, lebt in Düsseldorf, Studium der Freien
Kunst an der Kunstakademie Münster bei Gunther Keusen und
Daniele Buetti, Meisterschüler von Gunther Keusen und Daniele
Buetti
Anerkennungspreis zum GKW-Förderpreis 2007
www.cbgoldbach.de
Clemens Botho Goldbach baut Konzepte in den Raum: raumgreifende
Skulpturen, die zumeist Architekturen sind, manchmal auch aus
Naturdingen gemacht; immer sind sie so ortsgebunden wie weltbezogen.
Alles, was wir sehen, ist, was es ist: ein Baumstamm ein Baumstamm,
ein Ytong- ein Ytongstein, ein Betonverschalungselement ein
eben solches, historische Ziegel sind historische Ziegel und
Mauerwerk ist echtes Gemäuer, gemauert in situ im Maßstab
1:1.
Alles, was wir sehen, ist zugleich jedoch mehr als nur das sinnlich
Präsente. Nicht nur sind die Objekte nicht autonom im Hinblick
auf ihren konkreten (Um)Raum, sondern Clemens Goldbach macht
sie zu Trägern von Repräsentationen. Als solche holen
sie die Geschichte des Ortes, an dem sie stehen, in ihren vielfältigen,
häufig exemplarischen, Begebenheiten und geistig-kulturellen
Bezügen sowie immer auch unsere Gegenwart in die Arbeit
hinein. Dazu gibt der Künstler den skulpturalen Elementen
einer Installation jeweils einen vielgestaltigen Paratext bei.
Dieser lässt – ein wenig abseits von den Skulpturen,
formal durchdacht und schön in Vitrinen oder wie eine kleinteilige
Großcollage an speziellen Wänden präsentiert
– den konzeptuellen Horizont einer Arbeit ahnen: In der
Regel umfasst er die Architektur, die soziale und kulturelle
Funktion wie die Geschichte des Ortes, an dem die Installation
steht, und er geht aus dem Quellenstudium des Bildhauers und
seiner Internetrecherche hervor, die bei der Homepage des Ausstellungsorts
beginnt, um dann von Googles Text- und Bildverweisen in potentiell
unendliche Weltbezüge zu schweifen. Neben diesen eher objektiven
Momenten finden ins Konzept einer Goldbachschen Arbeit seine
persönlichen Vorlieben Eingang. So ist an dem Künstler
gewiss ein Maurer und Architekt verloren gegangen, weltanschaulich
fallen Bezüge zur Gotik und Romantik, zu Rationalismuskritik
und Existenzphilosophie und zum Christentum auf.
Jede Arbeit Clemens Goldbachs ist ein bedeutungsgeladenes, ein
denotations-, konnotations- und assoziationsträchtiges,
ein in seiner Körperlichkeit höchst präsentes,
raues und robustes, sinnlich und formal sehr ansprechendes Imaginier-,
Fühl- und Denk-Mal.
Durch Form und Material bestechend, macht es Lust auf Lektüre
und Interpretation, durch’s 1:1 verführt es die Betrachtenden,
sich in ihrer Leiblichkeit, damit auch geistig-seelisch zu ihm
in Beziehung zu setzen und den Ort, ihn durchschreitend, innerlich
zu überschreiten. Nicht nur räumlich und zeitlich.
Denn charakteristisch für Clemens Goldbachs Arbeit ist
eine Verinnerlichung und Innerlichkeit, eine Aus- und Aufstiegsenergie,
die dem massiven Äußren und der ‚Erdung‘
seiner Skulpturen entgegenzustehen scheint. Tatsächlich
geht der Impetus zur Transzendenz gerade jedoch aus diesen hervor,
ex negativo.
Das wird besonders sinnfällig in dem einen Saal der Arbeit
„CODEX“ im Arnsberger Kloster Wedinghausen, den
der Künstler unter die Überschrift „F.H.L.“
stellt und demonstrativ leer lässt – als sei sie
uns in einer globalisierten materialistischen Welt verloren
gegangen: die Spiritualität. Auf Spiritualität als
historisches Faktum weist der Ausstellungsort, ein säkularisiertes
Kloster. „CODEX“ bezieht sich auf sie, nicht in
ihrer christlichen Ausprägung, sondern im Sinn einer vertikalen
Offenheit der Existenz und eines menschlichen In-der-Welt-Seins,
das einer spirituellen Heimat genauso bedarf wie es Häuser
braucht aus Ziegeln oder Beton. „F.H.L.“ steht für
Faith, Hope, Love, für Glaube, Hoffnung, Liebe in der lingua
franca der globalisierten, vor allem der abendländischen
Welt. Einige mögen sich erinnern, dass nur „diese
drei“ uns nach dem 1. Brief des Paulus an die Korinther
bleiben, uns, die wir die Welt, uns selbst und Gott nicht erkennen
können.
Angesprochen ist die geistig-seelische Dimension unserer Existenz.
Immer wieder rührt Clemens Botho Goldbach in seiner Arbeit
an sie, aber, so verhalten und zeitgenössisch gebrochen
wie er auf es in der englischen Abbreviatur anspielt: er baut
nicht auf das Evangelium, appelliert vielmehr an die Imagination
und seelische Kraft derer, denen seine Installationen Fühl-
und Denk-Mal sind. In ihrer Klarheit machen sie klar, dass menschliches
In-der-Welt-Sein Mauern und Fundamente aus Stein zwar braucht,
dass Leben aber nur gelingt, wenn die Mauern sich öffnen
zur Welt und nach oben, zum Himmel – symbolisch stehen
dafür Goldbachsche Orte wie Klöster, Bibliotheken,
Kirchen. Der Himmel mag heute leer sein. Entscheidend, so scheint
bei Clemens Goldbach zu lesen, wäre die spirituelle Öffnung,
die Suche, sei’s durch die Religion, sei‘s in der
Kunst.
Laudatio zum GWK-Förderpreis Kunst 2103
Susanne Schulte, Arnsberg, am 29. September 2013
Die Jury des GWK-Kunstpreises 2013 bildeten Dr. Julia Draganovic,
Leiterin von LaRete Art Projects in Modena (Italien) und New
York, die Berliner Malerin Paula Müller, GWK-Förderpreisträgerin
des Jahres 2009, der Künstler und Kurator des Kunstvereins
Arnsberg, Vlado Velkov aus Berlin, die Kuratorin Susanne Kleine
von der Kunst- und Ausstellungshalle der BRD in Bonn, und Kristina
Scepanski, Direktorin des Westfälischen Kunstvereins aus
Münster. Die GWK-Förderpreise für Musik, Literatur
und bildende Kunst wurden am 29. September 2013 in Arnsberg
verliehen.