Der diesjährige Literaturpreis der GWK wird geteilt. Er
geht zu gleichen Teilen an die zweiunddreißigjährige
Charlotte Warsen, die 1984 in Recklinghausen geboren wurde,
und an den gleichaltrigen Arnold Maxwill aus Dortmund. Die Ausgezeichneten
erhalten jeweils 2.500 Euro und werden in ein Förderprogramm
der GWK aufgenommen.
Charlotte Warsen studierte an der Kunstakademie Düsseldorf
Malerei, in Köln Philosophie und Amerikanistik, heute lebt
sie in Berlin. Sie überzeugte die Fachjury mit "Seufzergruppen.
Auszüge aus einem Klagegesang": erfrischende, nur
partiell Realität abbildende, assoziativ-abstrakte und
anarchisch-extrovertierte Texte, offene Sprachspiele, die nur
oberflächlich als "Lyrik" zu bezeichnen sind.
Warsens "Seufzergruppen", in denen durch die lückenhaft-flächige
Anordnung der Zeilen auf der Seite die lineare Vers- und Leseordnung
sowie die eindeutige Begrenzung eines Einzeltextes aufgehoben
ist, sind nicht allein sprachliche, sondern auch optische Kunstwerke,
Simultanereignisse. Sie provozieren kreative Lektüren,
fordern die Lesenden als Co-Autoren. Mit dem Lyrikbegriff stellen
sie die literarischen Genres in Frage und intervenieren so spielerisch
wie aggressiv-entschlossen in die herrschende Ordnung der Sprache,
des Denkens, Lesens und Sprechens.
Arnold Maxwill studierte Philosophie, Germanistik und
Kunstgeschichte in Wien und Münster, er lebt in Dortmund.
In seinem Gedichtzyklus "verschränktes Gelände",
mit dem er die GWK-Jury gewann, nimmt er Teile des Dortmunder
Stadtgebiets in den Blick. Die Gedichte in fest gefügter
äußerer Form und strengem, analytischem, musikalisch
durchsetztem Ton sind, so die GWK-Jury, spannende, hochartifizielle
Konstruktionen. Bestechend überführe Maxwill das außersprachliche
Gelände in eine unabhängige, Gedichtwelt, die das
Gesehene nicht einfach abbildet, sondern es transformiert. Durch
seine Texte macht Maxwill vor dem Hintergrund des mittelalterlich-romantischen
Natursprachegedankens erfahrbar, dass das Wahrgenommene immer
menschlich Gedeutetes, sprachlich Codiertes und Kontrolliertes
ist, dass sich jedoch, im äußeren Gelände überraschend,
im Gedicht durch dessen fremde, "unverwandte" Sprache
absichtlich herbeigeführt, Lücken ins "Unverwandte"
auftun, ins Unbenannte und Nichtverstandene, das eine ambivalente
Freiheit verheißen kann.
Die Jury des GWK-Förderpreises Literatur 2016 bestand
aus Dr. Florian Höllerer, LCB-Literarisches Colloquium
Berlin, dem Autor und GWK-Preisträger 2011 Adrian Kasnitz
aus Köln und dem Verleger und Lektor Reto Ziegler von der
Edition Korrespondenzen in Wien.