Anne Kückelhaus: "feldwegein"
 

Kunstverein Bochumer Kulturrat
2. März – 12. April 2013
Di 15 – 18 Uhr, Do und Fr 18 – 20 Uhr sowie nach Vereinbarung
Lothringer Str. 36 c, 44805 Bochum
www.kulturrat-bochum.de
www.annekueckelhaus.de

Vernissage: Samstag, 2. März 2013, 20 Uhr
Einführung: Carsten Roth, Kurator des Kunstvereins



Der Kunstverein Bochumer Kulturrat zeigt in einer umfassenden Einzelausstellung Arbeiten von Anne Kückelhaus, die an der Kunstakademie Münster bei Lili Fischer, Henk Visch und als Meisterschülerin von Timm Ulrichs sowie an der University of Colorado in Boulder bei Jeanne Quinn studierte.
Thema der künstlerischen Arbeit von Anne Kückelhaus ist in erster Linie das Tier. Um realistische Tierplastiken handelt es sich allerdings nicht, sondern um eine humoristische, absurde, skurrile und hintergründige, zuweilen morbide Fauna. So erschöpft sich die Betrachtung ihrer Arbeiten auch nicht im kurzen Hinsehen, denn ihr Werk ist […] facettenreich, doppelbödig, hintersinnig, zwiespältig und verspielt. Das Verspielte ist das Spiel mit dem Betrachter und dessen Erfahrungshorizont. Indem scheinbar Putziges bei genauerer Betrachtung eine sarkastische, fiese Fratze zeigt, gelingt es der Künstlerin immer wieder, die gewohnte Ikonographie zu durchbrechen, den herkömmlichen Begriff und die Possierlichkeit des Tieres zu hinterfragen und den Betrachter aufzustören.

Ihre Protagonisten kommen uns sprichwörtlich bekannt vor. Obwohl sie sie gar nicht konkret darstellt, erscheinen vor dem "geistigen Auge" unweigerlich Affen, die einen lausen oder denen man Zucker gibt, Esel, denen es zu wohl wird und die aufs Eis gehen, Eulen, die man nach Athen trägt, Flöhe, die man husten hört, Frösche, die man im Hals hat, Hasen, die da im Pfeffer liegen oder sich mit Füchsen "Gute Nacht" sagen, Hühner, die auch mal ein blindes Korn finden, Hunde, die bunt und daher bekannt sind oder aber in der Pfanne verrückt werden, Kamele, die durch Nadelöhre gehen, Katzen, die man im Sack kauft, die bei Nacht grau sind oder um den heißen Brei schleichen, Mäuse, die da keinen Faden abbeißen, Nachtigallen, die man trapsen hört, Pferde, die man vor der Apotheke kotzen sieht, Störche, die einem da doch gebraten werden, und frühe Vögel, die den Wurm fangen. Kurzum: Jedem Tierchen sein Pläsierchen.

So weit das Assoziative. Ganz konkret präsentiert uns Anne Kückelhaus aber nicht die Katze, sondern den Hund, der sich sprichwörtlich in den Schwanz beißt. Sie beschäftigt sich mit Farb-, Form-, Volumen- und Materialkontrasten etwa durch einen weißen Hund (Keramik), der seinen schwarzen Schatten (Textil) hervorgewürgt hat. Sie illustriert in greifbarer Materialität kulturelles Erbgut wie das Kinderlied "Fuchs, du hast die Gans gestohlen". Sie übersetzt menschliches Verhalten in bildsprachliche Fabeln von allgemeingültiger Relevanz. Sie persifliert Kitsch, Nippes und den glasäugig glotzenden Tierkopf als barbarische Jagdtrophäe. Bei Anne Kückelhaus würde kein Hirsch ernsthaft röhren. Er würde kotzen oder rülpsen.

Der vielen Arbeiten von Anne Kückelhaus innewohnende Humor führt zuweilen auf eine falsche Fährte; immer wieder kann er dem Betrachter auch im Halse stecken bleiben. Einiges ist nicht "süß", sondern stößt bitter auf. "Alle Vögel sind schon da", denkt man frühlingsfühlend und tirilierengestimmt, aber womöglich sind sie bereits in Formaldehyd eingelegt. Vereinzelt hängen schweinchenrosafarbene Tierkörper als kadaverhafte Hülle an Haken und Stange und erwecken unschöne Assoziationen an Missachtung der Kreatur, an Ausweidung, Erlegen, Quälerei, Präparation, Versuch und Verwertung.

Der Titel "feldwegein" als Resultat eines Versprechers ("querfeldein") weist hin auf die irritierende Ambivalenz der Arbeiten und setzt den Gang durch die Ausstellung einem Spaziergang durch die Natur gleich. Gemäß dem Konzept des Kunstvereins Bochumer Kulturrat als Experimentierfeld, Schaubude und Wunderkammer soll der Betrachter – nach Worten der Künstlerin – in überraschenden Begegnungen Tiere und tierähnliche Kreaturen in den unterschiedlichsten Lebensumständen und Seinszuständen auffinden: "Tiere, die dem Menschen offenbar zum Opfer gefallen sind, ebenso wie Tiere, die vielleicht ihrem eigenen Streben zum Opfer fielen – vielleicht, weil sie dem Menschen zu sehr nachstrebten? oder – sind sie eigentlich nur Abbilder des Menschen? Der Mensch ist immer Teil meiner Installationen, sei es, dass der Mensch das Tier in die vorgefundene Situation gebracht hat, dass das Tier bildlich / fabelartig stellvertretend für einen Menschen steht, dass der Mensch sich in der vorgefundenen Situation als Gegenspieler fühlt oder sich konkret in das Tier und seine Situation hineinversetzt."

Zu raumbezogenen installativen Mixed-Media Arbeiten zählen unter anderem Dokumente des Scheiterns und des vergeblichen Bemühens, die sich auf den Menschen projizieren lassen: ein ausgelaugtes und abgehängtes Pferd, das sein Strohbüschel nicht mehr erreichen kann, ein weiteres Pferd, das aus der Kurve fliegt, ein Hund, der einen Vogelschwarm beim Verlassen des Raumes sehnsuchtsvoll beobachtet und daher vom Fliegenkönnen träumt...

Carsten Roth


 
   
 
 

 

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