"Christian Gieraths
2000 – 2005" LWL-Landesmuseum für
Kunst und Kulturgeschichte in Münster, Der Fotograf Christian Gieraths ist ein Reisender. Er fängt seine Bilder auf Fahrten ein, die ihn in alle Himmelsrichtungen um den Globus führen. Havanna, Tokio, Sarajevo, Kapstadt, Bukarest heißen einige seiner Stationen. Das Durcheilen der Räume im Nirgendwo heutiger Reiselandschaften bringt Gieraths zum Stillstand. Er fertigt eine fotografische Enzyklopädie meist menschenleerer Alltagsräume mit einer Poesie, die staunen macht. Es ist keine pittoreske Poetik, der sich der Fotograf verschreibt, sondern eine strukturelle fast konstruktive Form, die über Lineamente, Spiegelungen, Materialien und Perspektiven funktioniert. Gieraths schaut sehr genau hin und bleibt stehen, wenn andere weitereilen. Er fängt einen spezifischen Moment des Innehaltens ein und gibt ihm eine Form. Manche Bilder, die dabei entstehen, sind sehr plakativ. Flächen werden fast typographisch nebeneinander gestellt, Kontraste über manchmal minimale Farb- und Strukturverschiebungen erzeugt. Die Oberfläche der Dinge wird zum Bedeutungsträger, der kurze Moment des Bemerkens wird entzeitlicht und durch die Fotografie ausgedehnt. In allen Bildern steht ein "kurz zuvor" oder "gerade eben". Die Fotografien ohne Menschen sind nicht entmenschlicht. Die Aneignungs- und Vernutzungsspuren sind überall gegenwärtig. Hier wurde berührt, hier wird gelebt, nur eben gerade jetzt nicht. Christian Gieraths’ Blick hat demnach tatsächlich eine museale Komponente. Er lässt die jeweilige Gegenwart als Historie erscheinen, die Fotografien machen in ihrer Präzision Geschichte gegenwärtig. |