Christine Moldrickx | GWK-Förderpreis 2017
*1984 in Münster
studierte von 2003 bis 2009 an der Kunstakademie Düsseldorf
bei Martin Gostner und 2007 bei Simon Starling an der Staatlichen
Hochschule für Bildende Künste, Städelschule,
in Frankfurt a. M.
www.christinemoldrickx.com/
Christine Moldrickx' Arbeiten gehen uns an. Egal, welchen Materials
und Mediums sie sich bedient, ihre Werke beeindrucken in ihrer
Eigenständigkeit und berühren durch ihre schiere physische
Präsenz. In dem Maß jedoch, wie sie sinnlich vor
Anwesenheit strotzen und die Betrachtenden fesseln, weisen sie
schnelles Verstehen zurück und geben, was sie sind, nicht
preis. Dieser Widerspruch macht Lust auf mehr und er provoziert:
Man lässt sich zwingen, genauer zu schauen, zu recherchieren,
zu investigieren und reflektiert bei der Suche nach der Antwort
auf die Frage, was das sei, das da solch eine Kraft hat, sowohl
diesen Rezeptionsvorgang selbst als auch den Prozess der Produktion
dessen, was man sieht. Wissen kommt ins Spiel. Bereitwillig
informiert die Künstlerin über ihr Arbeiten und ihre
Inspiration durch zeitgenössische Filme, Theater und Literatur,
eine katholische Sozialisation. So vertieft sich die Wahrnehmung
von Widerspruch und Zweideutigkeit, die die erste Reaktion entließ,
zu der Erkenntnis, dass es die Erzeugung von Ambivalenz ist,
die die Arbeiten von Chr. Moldrickx auszeichnet. Mit Bezug auf
ihre "Sinks" spricht sie selbst von "liminal
objects", Gegenständen der Grenze und des Übergangs
von einer Welt in eine andere, der als "sinking",
versinken, beschreibbar ist. Doch weniger als bloß ausgedachte
Metaphern von Transitionen sind ihre Objekte echte Materialisationen
und damit Zeugen realer Prozesse und Handlungen, auch solcher,
die die Künstlerin selbst durchläuft. So hat sie mit
ihrem Kopf den noch feuchten Ton von Formen, die an Waschbecken
erinnern, aber gröber, archaischer wirken, durchstoßen,
diese damit ihrer potentiellen Funktionalität beraubt,
anschließend bemalt und gebrannt. Sie präsentiert
die "sinks" zusammen mit ihrem Badezimmerspiegel,
der voller Gebrauchsspuren ist und über dem sinnlosen'
Becken hängt, so dass sich auch die Betrachtenden spiegeln
können in ihm - und aufgefordert sind, den außerästhetischen
Normalkontext zu imaginieren und dazu die eingefrorene'
Handlung selbst qua Einbildungskraft zu vollziehen, zu verweilen
im Übergang von "to sink" und "to think"
und aus dem Alltag in eine ästhetisch induzierte, je eigene
innere Welt zu treten. Chr. Moldrickx' Arbeiten faszinieren
durch die Ambivalenzen, die Schwebe, die sie be- und erzeugen
können aufgrund ihrer großen sinnlichen Kraft und
geistigen Tiefe.
Susanne Schulte, GWK
Laudatio zum GWK Förderpreis 2017
JURY
Georg Elben, Skulpturenmuseum Glaskasten Marl
Dr. Oliver Kornhoff, Arp Museum Bahnhof Rolandseck, Remagen
Jan-Christoph Tonigs, Kloster Bentlage, Rheine
Roland Nachtigäller, Marta Herford
Claudia Schmacke, GWK-Förderpreis 1997, Berlin
Christoph Tannert, Künstlerhaus Bethanien, Berlin
Dr. Anna Fricke, Museum Folkwang, Essen