Katrin
Kamrau
*1981 in Lübben/Spreewald, lebt in Antwerpen
2003 – 2010 Studium Fotografie und Medien am Fachbereich
Gestaltung der Fachhochschule Bielefeld, Prof. Suse Wiegand
und Prof. Dr. Anna Zika | 2007 – 2008 Auslandsaufenthalt
an der Koninklijke Academie voor Schone Kunsten, Antwerpen
www.katrinkamrau.de
Kritisch inszeniert Katrin Kamrau in Objekten und Installationen unseren Umgang
mit Fotografie. Mit Bildern arbeitet sie über die Fotos,
die wir selber machen und die uns in den Medien umgeben. Die
Künstlerin interessiert sich primär für die analogen
Techniken der Fotografie, inhaltlich problematisiert sie den
Status von Fotos als Abbildungen von Realität und den gesellschaftlich-medialen
Gebrauch der Bilder. Ihr Material findet Katrin Kamrau in Printprodukten.
Sie bedient sich ausgewählter Fotos und Texte aus Handbüchern
für Fotoamateure oder Zeitungen und repräsentativer
Massenprodukte für die Präsentation von Fotos, um
den Blick zu reflektieren, der diese Bilder und ihre Darbietungsweisen
hervorbringt. Zugleich geht es dabei um die Rolle der Fotografierten,
der Sujets oder Objekte, des Stoffes, wie auch um die Konsumenten
der dargebotenen Bilder. In den Fokus kommen zudem die Funktion
der gefundenen Fotos in ihrem Ursprungskontext wie auch die
dort nicht thematisierten Nebenbedeutungen und -wirkungen der
Bilder.
So etwa, wenn die Künstlerin in der Arbeit "SPEKTRUM*OBJEKT
18" einen Farbstern aus einem Buch zur Fototechnik von
KODAK verarbeitet, der anhand eines einzigen, 59 Mal unterschiedlich
abgebildeten Fotomotivs die verschiedenen Mischungsverhältnisse
der Farbfilter eines Farbver-größerungsgerätes
illustriert und sich als Maßstab für Farbabzüge
anbietet. Das Motiv: eine adrett gekleidete und frisierte, landläufig
hübsche, lächelnde, junge, weiße Amerikanerin.
In der Mitte der sternförmig angeordneten Abbildungen befindet
sich das mit „Normal“ untertitelte Portraitfoto,
von diesem gehen nach außen die andern 58 'farbstichigen'
Bilder ab. Deren Farbabweichung vom korrekten Bild im Zentrum
wird jeweils prozentual markiert. Diesen gedruckten Farbstern
reproduziert Katrin Kamrau fotografisch, in 59 großen
Lambda-Ausbelichtungen, die sie auf die Wand des Kunst-Ausstellungsraumes
bringt, so dass die Besucherinnen und Besucher ihm leibhaftig
gegenüber treten: ein raffiniertes Angebot, ihn anders
zu lesen und sich seiner in anderer Weise als im Fotobuch zu
bedienen.
Indem sie es durch einen so einfachen wie geschickten 'Trick'
seinem Ursprungs- und Normalkontext, dem Fotolabor, entzieht
und in einen alltagszweckfreien Zusammenhang überführt,
wird das fotografische Hilfsmittel und mit ihm das Foto, das
es als Beispiel benutzt, in seiner Form und Funktion reflektierbar
und in seinem ideologischen Gehalt erkennbar. Der Kunstkontext
erlaubt, es als ein Werkzeug nicht allein der Wiedergabe, sondern
der Produktion von Normalität zu lesen, nicht nur was die
Fotografie und die Medien ihrer Verbreitung, sondern auch was
das eigene Leben betrifft, das das Foto, ein Portrait, realistisch
abzubilden behauptet. Diese Behauptung wird als schief bis falsch,
das Bild und die Normalität, die es zeigt, als soziale
und technische Konstruktion und als Folge konventionalisierter
Selektionsprozesse erkennbar. Die Norm, die für sich neben
dem Status der Mitte und des Zentrums auch den der Natürlichkeit
reklamiert, erscheint als die des weißen, heterosexuellen
Mannes, hier wie auch in anderen Arbeiten der Künstlerin.
Immer ist es diese Perspektive, die den Blick durch die Linse
auf das Objekt davor bestimmt, das "geschossen" und
dem die Herrschaft über sein eigenes Bild genommen, das
in seiner Selbstbestimmung und Subjektivität quasi getötet
wird.
Und dieser Blick definiert, was und wer fehlerhaft ist, nicht
ins Bild passt, welche Bilder herausfallen als Makulatur. Der
Ausschuss ist enorm, das zeigt die Arbeit "SPEKTRUM*objekt
17 (cheese!)". Normalität, so ist in Katrin Kamraus
Arbeiten zu lesen, definiert und konstituiert sich über
den Abfall, der der Norm nicht genügt oder sich ihr widersetzt,
und den die Konformen entsorgen. Sie reproduziert sich über
Bilder wie auch über die fotografischen Techniken und die
Anleitungen dazu. Diese scheinen dahingehend zwar neutral, faktisch
aber geben sie die Normen in ihren Illustrationen und in den
erlernbaren Verfahren wieder, sind sie Instrumente der Einübung
von Normalität. Katrin Kamrau findet in ihren Präsentationen
eigenwillige Metonymien, die die Macht reproduzierbarer Bilder
und der Techniken ihrer Produktion kritisch erfahrbar machen.
Dabei eröffnet sie den Betrachtenden genau den Raum der
Freiheit vor dem Bild, den die gefundenen Fotos, die sie benutzt,
durch ihren ‚Sitz im Leben‘ selbst verschließen.
Den Zeigefinger erhebt sie nicht. So still wie souverän
zeigt sie vielmehr auf und fordert auf, das, was durch sie erkannt
wird, auf ihre eigenen Arbeiten auch zu beziehen. Mit ihrer
Kunst nimmt Katrin Kamrau gesellschaftliche Verantwortung wahr
in dem Bereich, von dem sie am meisten versteht, und der uns
als Personen wie als Gesellschaft heute mehr denn je zuvor prägt:
dem der von jedem Kind schon reproduzierbaren und reproduzierten
Bilder, der Fotografien.
Laudatio von Dr. Susanne Schulte zum GWK-Förderpreis
Kunst 2014, der Katrin Kamrau am 30.11.2014 in Bielefeld überreicht
wurde. Über die Preisvergabe entschied eine Fachjury, der
Sandra Dichtl (Dortmunder Kunstverein), Ben Kaufmann (Neuer
Aachener Kunstverein) und Thomas Thiel (Bielefelder Kunstverein)
angehörten.