"Poesie ist die Muttersprache des menschlichen Geschlechts"
Franz Josef Czernin, Sabine Scho und Hugh Barr Nisbet beim Magus Tag Münster 2011
 

 

Respektvoll nannten ihn seine Zeitgenossen den "Magus in Norden", Goethe bezeichnete ihn als den "hellsten Kopf seiner Zeit" und für Amalie von Gallitzin war er eine Art Guru: Die Rede ist von Johann Georg Hamann, dem Königsberger Schriftsteller, der 1788 in Münster starb und auf dem Überwasserfriedhof begraben liegt. Zukunftsweisend wie kaum ein anderer seiner Zeit hat Hamann über die Sprache nachgedacht und von der Poesie behauptet, sie sei "die Muttersprache des menschlichen Geschlechts".

Beim Magus Tag Münster, den die GWK am 15. Oktober 2011 im münsterschen Rathaus veranstaltete, war Hamann der Ausgangspunkt für einen Wortwechsel über Poesie. Die renommierten Dichter Sabine Scho und Franz Josef Czernin beleuchteten in Aphorismen, in einem freundschaftlich-kritischen Brief an den "lieben Jo" und im Gespräch mit einander die Besonderheiten der poetischen Sprache und fragten nach den speziellen Perspektiven, in die das dichterische Wort die Menschen versetzt.

Über die Perspektivität eines jeden Blicks auf die Welt redete der Hamann-Forschungspreisträger 2010, Hugh Barr Nisbet. Der weltweit anerkannte Cambridger Aufklärungsspezialist und Autor eines internationalen Bestsellers über Gotthold Efraim Lessing spracht unter dem Titel "Weit mehr als Duldung: Respekt" von Lessings Verhältnis zur Toleranz.

Außerdem wurde am Magus Tag ein Sieger geehrt. Für seinen "dialogischen Widerhall" auf Hamanns wirkmächtigste Schrift, die "Aesthetica in nuce", wurde Franz Josef Czernin mit dem Magus-Preis ausgezeichnet.

Die junge, internationale und GWK-Preisträgerin Hanni Liang begleitete die Veranstaltung am Klavier mit Werken von Johann Sebastian Bach und Manfred Trojahn.
"Noch heute ist die Auseinandersetzung mit dem, was Hamann zum Thema Sprache und zur Poesie geschrieben hat, spannend und produktiv", so Susanne Schulte, die Initiatorin des Magus Tags. "Hamann, der übrigens sein Leben lang stotterte, ist für mich ein Sprach-Denker durch und durch, ein Dichter in erster Linie, kein Philosoph. Er hat Überlegungen zur Sprache und zur Poesie angestellt, die zu seiner Zeit zukunftsweisend waren und auf die sich Sprachphilosophen und Dichter bis heute beziehen." Dem Dichter traute der Magus eine besondere Wahrnehmungs- und Erkenntnisfähigkeit zu und der Poesie machte er zur Aufgabe, die ausgestorbene Sprache der Natur wieder aufzuwecken. "Es macht einfach Freude, Hamann zu lesen und solche Sätze wie die folgenden zu genießen: 'Sinne und Leidenschaften reden und verstehen nichts als Bilder. In Bildern besteht der ganze Schatz menschlicher Glückseligkeit'." Hamann hat die größten deutschsprachigen Dichter der letzten 250 Jahre inspiriert, nicht allein deshalb, weil er die Poesie zur "Muttersprache des menschlichen Geschlechts" erklärte. Inwiefern seine Texte noch heute zünden und provozieren, zum Weiterdenken wie zum Widerspruch, wollen die Magus Tage erforschen.

Die Programme der beiden Magus Tage Münster 2010 und 2011 finden Sie unter www.magus-tage.de.


 
 
 
 

Zum Magus Tag Münster ist im Waxmann Verlag, Münster, das Buch mit den Texten der Magus Tage 2010 und 2011 erschienen: "Ohne Wort keine Vernunft – keine Welt. Bestimmt Sprache Denken? Schriftsteller und Wissenschaftler im Wortwechsel mit Johann Georg Hamann". Herausgegeben von Susanne Schulte (Subskriptionspreis bis 31.12.2011 20 Euro). ··· mehr 


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