VERANSTALTUNGEN | ||
Glanzstücke
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„Glanzstücke“ macht vor ausgewählten Glanzstücken des LWL-Landesmuseums Station – mit Konzerten Alter, Klassischer und Neuer Musik, mit Kurzvorträgen zu den Bildern im Fokus und mit deren atmosphärisch dichter Neuinszenierung. Mehr als bloß Beiwerk, macht die Musik, von Hymnus und Madrigal bis zu Neodada und Nono, die Kunstwerke über das Ohr präsent. Sorgt das Auge eher für den kognitiven Input, so nimmt die Musik den direkten Weg ins Herz. Traum und Alptraum scheinen musikalisch auf, Apokalypse und Paradies, die Existenz in ihren Extremen, Jahrmarkt wie Totenbett, himmlische und erotische Lust. Neben den Bildern und Skulpturen, aber bezogen auf sie, entstehen akustische Welten, in denen die Objekte der bildenden Kunst sichtbarer werden. Hochkarätige Musikerinnen und Musiker, darunter
Preisträger der GWK, konnten für die „Glanzstücke“
gewonnen werden. Die Konzerte finden in den Ausstellungssälen statt
sowie im Lichthof und im italienisch eingerichteten Vortragssaal. Zu den
ausgewählten Kunstwerken sprechen Kuratorinnen und Kuratoren des
Museums. „Glanzstücke“ ist eine Kooperation des LWL-Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte mit der GWK Gesellschaft zur Förderung der Westfälischen Kulturarbeit, Münster. Die Reihe wird unterstützt von der NRW.BANK und von WestLotto. Eintritt PROGRAMMÜBERSICHT Glanzstücke
2 Glanzstücke
3 Glanzstücke
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PROGRAMM | ||
Glanzstücke
1 |
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Theodor Rombouts: Der Zahnbrecher (1628) Demonstrativ, mit zweideutigem Lächeln, fast
schon provokativ blickt der Zahnbrecher von Theodor Rombouts (1597–1637)
dem Bildbetrachter ins Auge. Seinen Patienten, einen attraktiven Mann
in der Blüte der Jahre, hat er mit einem blutroten Tuch an den Stuhl
gefesselt, sein Werkzeug glitzert bedrohlich auf dem Tisch. Wie ein Quacksalber
kommt der Helfer daher. Die Umstehenden, zahnlose Alte wie Jüngere
mit Lücken und Junge mit strahlendem Gebiss, beobachten höchst
betroffen, zugleich voyeuristisch, die brutale, aber notwendige Prozedur.
Mitten im prallen Leben erinnert der Zahnbrecher auf dem Jahrmarkt dessen
blutigen Ernst: Verfall und Angst, Schmerz, Tod. Rombouts, einer der bedeutendsten
niederländischen Caravaggisten, inszeniert in drastischer Figurensprache
und expressiver Hell-Dunkel-Malerei eine der gefürchtetsten Alltagssituationen
seiner Zeit. |
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Mit Madrigalen der Renaissance zum
Markttreiben und allem Drumrum (u.a. von di Lasso, Dowland, Morley, Passereau)
bringt amarcord die Rombouts’sche Szene zum Klingen. Den Bogen vom
Zahnbrecher zum Zahnarzt schlägt und Abstecher in die weite Welt
der Berufe macht das Vokalquintett im zweiten Konzertteil mit spritzigen
Songs in kunstvollen A-capella-Arrangements. |
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Foto: Martin Jehnichen |
amarcord
Vortrag |
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Glanzstücke
2 |
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KÜNSTLICHE PARADIESE 1 |
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Oswald
Achenbach: S. Pietro in Vincoli (1883) |
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„Kennst Du das Land, wo die
Zitronen blühn, / Im dunklen Laub die Gold-Orangen glühn, /
Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht, / Die Myrte still und hoch der
Lorbeer steht?“ Ergänzt um einen heiter-witzigen Auszug aus
seinem „Italienischen Liederbuch“, der allen Schmerz aufhebt,
bringen Susanne E. Kirchesch und Hendrik Heilmann die Mignon-Lieder Hugo
Wolfs ergreifend auf die Bühne. Der Traum des Komponisten von einer
idealen Heimat wird lebendig, wenn Sue Kirchesch mit großer Gesangs-
und Schauspielkunst Wolfs schockierend realistisches Psychogramm anfallartiger
Leiden darstellt, aber auch ihr weltentrückt tröstliches Ende:
„So lasst mich scheinen, bis ich werde.“ |
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Susanne Ellen Kirchesch und Hendrik Heilmann Vortrag |
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KÜNSTLICHE PARADIESE 2 Musik : Les Femmes Fantastiques |
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Franz
Marc/August Macke: Paradies (1912) |
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Lebensfreude pur, vitalste Leichtigkeit
und beglückendes Sich-Vergessen verbinden sich in den Glanzstücken
der Femmes Fantastiques mit sanft-melancholischer Nostalgie, der sehnsüchtigen
Erinnerung an den Garten Eden. Berückend ist das Glück des Paradieses
in der Klage um seinen Verlust, im „Seelensound“ von Klarinette
und Violoncello gegenwärtig. |
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Les
Femmes Fantastiques Vortrag |
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Glanzstücke
3 MÄCHTIG IM FLUXUS
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MÄCHTIG IM FLUXUS 1 Musik : Simone Seiler, Harfe |
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F.H. Plettenberg: Kurfürst
Clemens August von Köln (1755) |
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Im 18. Jahrhundert war Harfe „hip“:
das Instrument höfischer Selbstinszenierung. Marie-Antoinette, Königin
von Frankreich, hatte es in Mode gebracht. Wer in der aristokratischen
Damenwelt etwas auf sich hielt, griff selber in die Saiten. Simone Seiler
lässt mit C.P.E. Bach und Spohr erfahren, dass die Harfe, als sie
nicht mehr nur das galante Lieblingsinstrument des „schönen
Geschlechts“ ist, über den Sturm und Drang in romantischer
Sehnsucht wieder zur Lyra des Orpheus wird, zum Sinnbild der Musik. |
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Simone
Seiler Vortrag |
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MÄCHTIG IM FLUXUS 2 Musik: Wolfgang Heisig – „Performanze
mit Phonola“ |
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Dieter
Roth: Vogelfutterbüste (1969) |
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Komisch-ernsthaft, wie die triefende
Büste, schillert Wolfgang Heisigs „Performanze“ mit Hupfeld-Meisterspiel-Phonola.
Der pneumatische Walzenklavier-Automat von 1908 – also aus dem Gründungsjahr
des Landesmuseums – wird vor die Tastatur gesetzt. Mit „Low-Beginning-Holz-Luft-Papier-Muskelkraft“,
eben nicht mittels eines „High-End-Computer-Elektronik-Chips-Stroms“,
spielt Heisig Stücke auf der Phonola, die auf dem Klavier allein
unspielbar sind. „Wie ein Doppeldecker auf einem Düsenjet-Flughafen,
der zu spät gelandet ist, aber liebenswert bockig auf seinem Stellplatz
beharrt“, wirkt die Phonola laut Süddeutscher Zeitung. „Lochstreifen,
mit denen die Phonola gefüttert wird, mimen das Computerzeitalter.
Und wirklich: Hier im schütter Unrationalisierten hört man noch
ein Herz schlagen, eine Seele schwingt sich zum Flug.“ |
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Wolfgang
Heisig Vortrag |
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Glanzstücke
4
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APOKALYPSE UND NEUE RÄUME 1 Musik: Pavel Sokolov, Oboe / Kimiko Imani, Klavier |
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Ludwig Meidner: Apokalyptische
Stadt (1913) |
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Als letzten, fast verzweifelten
Ausbruch gegen den NS-Terror verstehen Pavel Sokolov und Kimiko Imani
die Suite von Pavel Haas. Wie auf verlorenem Posten kämpft der „Theresienstädter“
Komponist, der 1944 in Auschwitz ermordet wurde, mit seiner Musik für
das Existenzrecht der Verfemten und Verfolgten. Endet Haas’ Suite
vom Vorabend der Apokalypse noch im Glauben an das Gute, so lässt
Dutilleux nach dem Zivilisationsbruch alle Hoffnung fahren. Leidenschaftlich
evozieren Pavel Sokolov und Kimiko Imani die faschistische Brutalität
und die Dunkelheit der Welt-danach musikalisch: sein Stück klingt
aus in einer offenen Frage. |
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Pavel
Sokolov und Kimiko Imani Vortrag |
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APOKALYPSE UND NEUE RÄUME 2 Musik |
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Richard Serra: Faßbinder
I (1983) und II (1984) |
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Während Luigi Nonos „<Wir
müssen gehen> träumend“ verändern Suyoen Kim und
Helge Slaatto ihre Standorte im Raum. Die Musik steht auf langen Fermaten,
am Rande der Wahrnehmbarkeit verändert sie sich nur in Nuancen: ein
neuer Weg und ein Raum entstehen im Spiel. So erinnert es die „schwache
messianische Kraft“, die nach Walter Benjamin ausreicht, „um
eine Epoche herauszusprengen aus dem Lauf der Geschichte“. Am 8.
Mai 1990 war Luigi Nonos Lebensweg zu Ende. Auf dem Sterbebett hörte
er Bach, neben dem Choral „Komm süßer Tod“ vielleicht
auch die Chaconne. Die Chaconne ist ein Variationswerk über einem
ostinaten Bass, ein hochdifferenzierter musikalischer Organismus, der
am Ende wieder in die Ausgangsgestalt führt. Bach löst die Modelle,
die eingetretenen Wege auf, um neue zu bahnen. |
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Suyoen
Kim, Violine / Helge Slaatto, Violine Vortrag |
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Glanzstücke
5 VITA RELIGIOSA – WEIBLICH Musik: ala
aurea
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Derick Baegert: Der Evangelist Lucas malt die Madonna Nach einer byzantinischen Legende war der Evangelist
Lukas von Beruf Arzt und Maler, und einmal ist ihm Maria mit ihrem Sohn
erschienen. Baegerts Bild zeigt keine gewöhnliche Atelierszene, es
ist vielmehr eine „demonstratio sacra“. Die festliche Erscheinung
der zwei Modelle, Maria und das Jesuskind, und der vornehm gekleidete
Maler-Evangelist stellen die Schönheit des Vorbilds und die Echtheit
des Gemäldes auf der Staffelei zur Schau. Das Bild behauptet: das
Heilige, das Baegert malt, hat er gesehen, sein Bild ist wahr. |
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Beeindruckend zeugt das „Liederbuch
der Anna von Köln“ (um 1500) vom geistlich-kulturellen Leben
des Mittelalters, von der gläubigen Hingabe an Gott und der Verehrung
der Gottesmutter im Sinne der „devotio moderna“, ganz verinnerlichter,
persönlicher Frömmigkeit. Christus erscheint in mystischen Bildern
als geistlicher Weinschenk, Maria als Rose von Jericho. Es wird gemahnt,
den Tod zu bedenken, gegen weltlichen Erfolg und die Unbeständigkeit
Fortunas werden die Freuden des Himmelreichs besungen. |
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ala
aurea Vortrag
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Glanzstücke 6 |
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Marc Chagall: L’Inspiré.
Selbstbildnis vor der Staffelei L’Inspiré (1963) Chagalls Selbstbildnis ist Poesie, ein „Seelenbild” des Künstlers. Mit der Palette in der Hand sitzt er vor der Staffelei, wie ein Flaschengeist schlängelt sich hinter ihm die längliche Figur des Malers empor. Links unten wohl das Heimatdorf Chagalls, Witebsk. Eine Frau, offensichtlich seine Muse, schwebt über ihm und betrachtet sein Werk. Ein flötespielender Musiker fällt kopfüber ins Bildfeld, ein anderer steht vor der Staffelei und spielt Geige. Chagall zeigt, was ihn inspiriert, und im Wie des Bildes gewinnt seine Inspiration selbst Gestalt. Der Künstler sieht sich als Beschenkter: er verneigt sich vor seiner eigenen Schöpfung und vor seinem Schöpfer. Nor jene
land is majne |
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„Nur jenes Land ist meines,
/ das in meiner Seele liegt. / Als Einheimischer, ohne Papiere, / betrete
ich es.“ Wenigen ist bekannt, dass Chagall immer wieder Gedichte
geschrieben hat, alle in seiner Muttersprache, Jiddisch. Poetisch spiegelt
er seine Lebenssituation, spricht bildreich von Liebe und Tod, Gott und
Glaube, aber auch über sein malerisches Schaffen und die Quellen
seiner Inspiration. Den Freiburger Komponisten Gilead Mishory faszinierte
die emotionale Kraft und Ursprünglichkeit dieser Poesie. Chagalls
langes autobiographisches Gedicht „Di wajte hajmat majne“,
das 1937 in der Zeitschrift „Tsukunft“ veröffentlicht
worden war, und spätere Gedichte des Malers legte er seiner Komposition
für Tenor und Orchester zugrunde, die 2007 in München uraufgeführt
wurde. Gilead Mishory wurde 1960 in Jerusalem geboren, studierte an der
dortigen Rubin-Akademie Klavier, bevor er auf Empfehlung von Alfred Brendel
nach München und Salzburg ging. Heute ist er Professor für Klavier
an der Freiburger Musikhochschule. (www.mishory.de) |
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Deutsch-Niederländische
KammerPhilharmonie, Ltg. Otis Klöber Berthold Schmid
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