Lyrikertreffen Münster 2005
und Preis der Stadt Münster für Europäische Poesie


Autoren:
Daniel Banulescu (Rumänien) und Ernest Wichner, Paul Bogaert (Belgien), Katharina Born für Nicolas Born, Anne Duden, Dieter M. Gräf und Christian Lehnert, Lars Gustafsson (Schweden), Sarah Kirsch, Wulf Kirsten, Tomas Lieske (NL), Tonnus Oosterhoff (NL), Marion Poschmann, Ales Steger und Peter Gruber (Kontrabass), Hans Thill, Christian Uetz (CH), Anja Utler (A), Jan Wagner, Dane Zajc und Janez Skof (Akkordeon; Slowenien)

Orte:
Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst, Rathaus,
Kleines Haus der Städt. Bühnen Münster

Zeit: 02. – 05. Juni 2005

Kartenvorverkauf: Theaterkasse der Städtischen Bühnen Münster
Tel: 0251 / 41467-100
www.theater.muenster.org

Infos: www.lyrikertreffen.muenster.de

„Ich fülle den / Fluß in den Federhalter und / Beginne zu schreiben“ – mit Sarah Kirsch ist eine der größten deutschsprachigen Lyrikerinnen der Gegenwart beim diesjährigen Lyrikertreffen Münster (2. – 5. Juni 2005) zu Gast. Neben renommierten Autoren präsentiert das Treffen auch lyrische Geheimtipps und herausragende Newcomer aus Deutschland, der Schweiz, Schweden, Rumänien, den Niederlanden, Belgien und Slowenien. Außerdem treten Daniel Banulescu aus Bukarest und sein deutscher Übersetzer, Ernest Wichner, auf, die mit dem diesjährigen „Preis der Stadt Münster für Europäische Poesie“ ausgezeichnet werden.

Mit seinem Auftakt und seiner Abschlussveranstaltung überschreitet das Lyrikerteffen die Grenzen des Wortes. So beginnt es am 2. Juni mit einer Lesung in der Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst am Hafen, wo ab dem 21. Mai unter dem Titel „XXX“ Stickarbeiten von Julia Heinrich zu sehen sind. In provokativen Stickereien im Kreuzstich hat sie prägnante Sätze und Bemerkungen aus Begegnungen und Dialogen des Alltags festgehalten. In der Ausstellung der Münsteraner Künstlerin lesen neben Anja Utler aus Wien, die in diesem Jahr ihren ersten Gedichtband vorlegt, und Hans Thill aus Heidelberg auch Marion Poschmann und Sarah Kirsch, die in ihren Gedichten das alltäglich Vertraute in faszinierende poetische Sprach-Bilder übersetzen.

„Live“ dringen dann mit ihren Gedichten am Samstagabend im Kleinen Haus der Städtischen Bühnen zwei Schriftsteller in den Raum der bildenden Kunst ein. Paul Bogaert aus Belgien und Tonnus Oosterhoff aus den Niederlanden tragen nicht jeweils ihre Gedichte nur mündlich vor, sondern präsentieren lyrische Computer-„Animationen“ oder PC-„Mobilés“. Einzelne Worte, mal einzelne Satzteile und Sätze aus ganz verschiedenen Partien eines Gedichtes scheinen isoliert oder in unterschiedlichen Kombinationen auf großer Leinwand auf. Entsteht hier über das Auge eine neue Form der Lektüre und eröffnen sich optisch weitere Deutungsmöglichkeiten des lyrischen Textes, so geschieht Vergleichbares auf akustischem Wege bei den beiden Autoren aus Ljubljana. Der Doyen der zeitgenössischen slowenischen Dichtung, Dane Zajc, tritt zusammen mit dem Akkordeonisten Janez Škof auf – ein Duo, dessen charismatische, an die Volksmusik anknüpfenden Darbietungen mit ihrer spezifischen Mischung aus Rezitation, Gesang und Musik in halb Europa bereits Legende sind. Im Gegensatz dazu greift der künstlerische Dialog zwischen dem „Jungstar“ der slowenischen Lyrikszene, Aleš Šteger, und dem Kontrabassisten Peter Gruber Ausdrucksformen der Neuen Musik auf. Natürliche, aber auch elektronisch bearbeitete Bassklänge verstärken das meditative Moment der Štegerschen Poesie und machen den Hörern musikalisch weitere Assoziationsräume auf. Am Beginn des Abends steht die Performance des Schweizers Christian Uetz, der für seine furios artistischen, zugleich hochmusikalischen und philosophischen Wortkaskaden berühmt ist.

Der Freitagabend präsentiert im Kleinen Haus der Städtischen Bühnen in der traditionellen Form der Lesung drei Große der zeitgenössischen europäischen Dichtkunst: Anne Duden und Wulf Kirsten aus Deutschland sowie den Schweden Lars Gustafsson. Mit Jan Wagner ist ein Autor der Generation der Dreißigjährigen zu Gast, der bereits zwei hoch gelobte Gedichtbände vorgelegt hat und derzeit wachsende Aufmerksamkeit findet. Den Abend eröffnet der renommierte niederländische Dichter Tomas Lieske.

Das diesjährige „In memoriam“ gilt Nicolas Born (1937 – 1979), einem der bedeutendsten Autoren der Nachkriegsliteratur, der in diesem Jahr postum den Büchnerpreis bekam. Katharina Born, die Tochter des Schriftstellers, hat 2004 sämtliche seiner Gedichte herausgegeben und stellt das Werk ihres Vaters im Gespräch mit dem Kritiker Michael Braun unter dem Titel „Das Auge des Entdeckers“ vor.

Dieter M. Gräf ist als Herausgeber der Anthologie „Das leuchtende Buch. Die Welt als Wunder im Gedicht“ beim Lyrikertreffen zu Gast. Mit dieser Einladung erweist das Lyrikertreffen dem 1200-jährigen Jubiläum des Bistums Münster seine Reverenz. Denn Dieter M. Gräf hat in seiner Anthologie Gedichte aus den letzten 500 Jahren versammelt, die der menschlichen Sehnsucht nach Selbstüberschreitung, nach der Fülle der Wirklichkeit und dem Wunder der Sprache Ausdruck verleihen. „Das leuchtende Buch“ präsentiert er gemeinsam mit dem Lyriker Christian Lehnert, der selbst in der Anthologie vertreten ist und dazu passende eigene Gedichte liest.

Eine inspirierende Tradition setzt das Lyrikertreffen mit den Schullesungen fort. Wieder sind Münsteraner Schulen aufgefordert, Dichter „zu sich nach Haus“ einzuladen. Die persönliche Begegnung von Schülern und Lehrern mit Dichtern und Übersetzern in der Schule selbst kann didaktische Konventionen in Frage stellen und die Neugier wecken auf das Naheliegende um Schwerverständlichen, auf das Kunstvolle in dem, was zunächst einfach und simpel erscheint.

Die Verleihung des „Preises der Stadt Münster für Europäische Poesie“ an den rumänischen Dichter Daniel Banulesu und seinen Übersetzer Ernest Wichner durch den Oberbürgermeister Dr. Berthold Tillmann bildet den feierlichen Abschluss des Lyrikertreffens am Sonntag, den 5. Juni im Rathausfestsaal. Die Laudatio hält der Literaturwissenschaftler und -kritiker Jörg Drews. Den musikalischen Rahmen gestaltet das für seine musikalischen Grenzgängereien international viel gefragte Saxofonquartett Saxofourte. Eine eigene Lesung ist tags zuvor den Preisträgern gewidmet. Über den rumänischen Preisträger heißt es in der Begründung der Jury u.a.: „In der jüngeren Geschichte der poetischen Ketzerei nimmt Daniel Banulescu eine herausragende Stellung ein. Als begnadeter ästhetischer Provokateur, der seine Häresien in Artistik zu verwandeln versteht, hat er bereits zu Zeiten der Diktatur Nicolae Ceausescus die rumänische Literatur mit frivolen Versen aufgeschreckt. Das lyrische Alter Ego dieses Dichters sucht stets die Verbindung von Schönheit und Schock und stellt sich demonstrativ in die Tradition eines radikal amoralischen Äshetizismus.“

Künstlerische Leitung und Moderation des Lyrikertreffens liegen bei Susanne Schulte, Hermann Wallmann und Norbert Wehr. Es wird veranstaltet von der Stadt Münster, dem Literaturverein Münster und der GWK, Gesellschaft für Westfälische Kulturarbeit. Karten zu 6 € (ermäßigt 4 €) bzw. Gesamtkarten für 20 € (ermäßigt 15 €) gibt es ab dem 3. Mai an der Theaterkasse der Städtischen Bühnen Münster, Tel: 0251 / 41 467-100. Weitere Informationen beim Kulturamt der Stadt Münster, Tel: 0251 / 492-4104, oder im Internet unter www.lyrikertreffen.muenster.de.