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Andreas Kaiser: "Album"

Kunstverein Münsterland e.V.
Jakobiwall 1, 48653 Coesfeld
Eröffnung: SA, 20.09.2003, 11 Uhr

Einführung: Dr. Julia Draganovic, LaRete, Weimar
Ausstellung: 21.09. - 09.11.2003
Mi - Fr 14 - 18 Uhr, Sa 10 - 13 Uhr, So 11 - 17 Uhr

 
       
  Ausgangspunkt für Andreas Kaisers Rauminstallation "Album" im Kunstverein Münsterland ist die Biographie der in Los Angeles lebenden jüdischen Exilantin Manya Breuer. Als Manya Hartmeyer floh die heutige amerikanische Staatsbürgerin im Alter von 16 Jahren vor dem nationalsozialistischen Regime aus Berlin. Sie folgte ihrem Vater, der die Stadt nach der Reichsprogromnacht verlassen hatte. Eine abenteuerliche Flucht führte sie über Belgien, Frankreich und Italien. Versteckt in einem Kloster, erlebte sie 1944 die Befreiung durch die amerikanischen Truppen in Rom. Auf Einladung Präsident Roosevelts fuhr Manya Breuer nach Amerika und wurde, nach 18-monatigem Aufenthalt in einem Übergangslager, Amerikanerin. Ihre Mutter, die sie 17 Jahre vorher in Frankreich aus den Augen verloren hatte, sah sie in einer amerikanischen Fernsehshow wieder.  
   

 

 
 

Manya Breuers Lebensgeschichte nimmt Andreas Kaiser zum Aufhänger und knüpft mit subtil in den Raum eingebrachten Versatzstücken ein dichtes Netz von Bezügen, die über die individuelle Biographie hinaus Generalthemen des menschlichen Lebens assoziieren und reflektieren lassen.

Im Zentrum des Ausstellungsraums steht ein begehbarer Kubus aus leeren Zeitungsseiten. In diesem befindet sich ein rotierender Diaprojektor, der eine europäische Landkarte auf Spiegelscherben projiziert und somit, fragmentarisch aufgesplittert, Teile dieser Karte auf die Innenwände des Kubus wirft. Ferner sind Auszüge eines Interviews, das Andreas Kaiser mit Manya Breuer in Los Angeles geführt hat, zu hören. Darin erzählt die Exilantin Stationen ihres bewegten Lebens. Wer Anteil an dem erzählten Leben nehmen will, muss sich auf ein altes Sofa setzen und sein Ohr an die Lehne pressen. Ein Videofilm zeigt in einer Endlosschleife, wie ein Koffer mechanisch aus- und eingepackt wird; ein realer Koffer mit unübersehbaren Gebrauchsspuren befindet sich im Ausstellungsraum. Ein Poesiealbum gibt Einblicke in die Kinder- und Jugendzeit Manya Breuers. Ihr Leben ist Seite um Seite aufschlagbar und kann anhand der Einträge ihrer Freunde und Verwandten partiell rekonstruiert werden. In den sehr persönlichen Widmungen ihrer Freunde, Bekannten und Verwandten ist das Umfeld des Mädchens und Teenagers zu greifen. Das Album war das einzige Erinnerungsstück, das der späteren Exilantin auf ihrer Flucht quer durch Europa blieb. Weitere Bestandteile der Installation sind eine Büchse Ölsardinen und ein Video mit Unterwasseraufnahmen eines Sardinenschwarms. Denn eine Büchse Ölsardinen war für Manya Breuer der einzige Luxusartikel, den sie auf ihrer Flucht ständig bei sich trug.