ARCHIV 2002
 

Juliane Grünthal : “Durchzug”

Kunstverein Greven
Zeit: 23.05. - 23.06.2002

 
       
 

In seinem Katalogbeitrag “Im Verlauf der Linie eintretende Ereignisse. Die Karikaturen der Zeichnerin Juliane Grünthal” schreibt Hans-Jürgen Lechtreck:

“Das bisherige Werk der Künstlerin umfasst Illustrationen, Karikaturen und Zeichnungen, in denen das Anekdotische so weit reduziert ist, dass ihre Gegenstände nur noch als Gerüst oder Rahmen für graphische Formexperimente dienen. Da-neben entstehen seit einigen Jahren auch Objekte aus Alltagsgegenständen und Fundstücken, die von plastischen Minia-turen bevölkert sind und auf diese Weise zu ironischen Studien über das Formen-repertoire der Skulptur werden. [...]

J. Grünthals Karikaturen sind Momentaufnahmen von Menschen und Tieren (mit Vorliebe Schweine, Katzen und Hunde), menschen- oder tierähnlichen Wesen und Gestalten aus der Märchenwelt und der Populärkultur. Die Umge-bung oder der Raum, in dem diese sich befinden, wird selten näher bestimmt. Die Zeichnerin belässt es bei Andeutungen: Eine einzelne Linie markiert den Horizont und definiert das Oben und Unten auf dem Papier als Himmel und Erde; zwei parallel über das Papier geführte Diagonalen beschreiben einen Wegverlauf. Die Darstellung konzentriert sich ganz auf die Figuren und das, was sie tun oder was ihnen gerade zustößt. Dabei sind die Figuren ebenfalls sehr sparsam angelegt. J. Grünthal formt sie aus einer Konturlinie, Augenpunkten, Schraffuren und einer einzelnen Farbe, mit der sie die Binnenflächen ausfüllt. Diese wenigen Zutaten reichen ihr aus, um Situationen zu entwerfen, die für den Betrachter zum Ausgangspunkt oder Wendepunkt einer ganzen Geschichte werden können.

Die Zeichnungen liefern dem Betrachter gerade so viele Informationen über die Darstellung, dass er Figuren und Objekte identifizieren und Blickrichtungen und Bewegungsmotive unterscheiden kann. Damit sind das Personal und die Requisiten der Bilderzählung vorhanden. [...] Die Beschränkung auf wenige gegenständliche Daten hat ihre Entsprechung in einer Überzeichnung der Figuren und Objekte, die ihre Form zum Ausdruck einer einzigen Eigenschaft, Gefühlsbewegung oder Handlungsweise werden lässt. Dieser von J. Grünthal mit den Mitteln der Karikatur hergestellte Ausdruck ist der Motor, der die Phantasie des Betrachters in Gang setzt. Die Zeichnung löst sich von ihren Gegenständen und be-ginnt, sich zu verselbständigen. Die von den Bewegungen des Zeichengeräts erzeugten Linien, Schraffuren und Formen führen den Blick des Betrachters auf die frei gebliebenen Flächen des Papiers und von dort zurück zu den Figuren. Der Fortgang jener Geschichte, die in der Darstellung angelegt ist, ereignet sich dabei im Nachvollzug des Zeichnens. Der Betrachter wird schließlich selbst zum Zeichner und führt die Darstellung in seiner Vorstellung dort weiter, wo die von Juliane Grünthal ausgelegten Linien und Spuren enden oder von den Rändern des Papiers abgeschnitten wurden.